IAA Frankfurt 2017

Messerundgang auf der IAA

Wenn man Visionen hat, soll man zum Arzt gehen, mahnte einst Helmut Schmidt. Oder aber man stellt sie auf der IAA in Frankfurt aus. Und derer gab es eine ganze Menge!

Aber dieses Jahr begann die Automesse ganz anders als gewöhnlich. Auf der Pressekonferenz von BMW am frühen Morgen standen zunächst nicht die neuesten und tollsten Modelle der Marke im Vordergrund, sondern der Aufsichtsratsvorsitzende Harald Krüger setzte sich mit dem Autor und Journalisten Hayo Schumacher einsam auf die Bühne und ließ sich von diesem befragen. Nichts war abgesprochen und sollte unangesprochen bleiben. Auch die bösen Worte vom Diesel Skandal, Kartell, und Manipulation wurden nicht ausgespart. Es wurde über sein erstes Auto (ein Opel Kadett) und die Oligarchenbräute in Berlin, die mit ihren dicken SUV herumfahren geplaudert, querbeet halt.  Zwar wich  er auf die Frage -in Anspielung auf seinen Schwächeanfall von vor zwei Jahren- was „die Grätsche auf der Bühne mit ihm gemacht hat“ aus, er schlug sich aber recht wacker und betonte stets die weiße Weste von BMW. Das Interview sagt jedoch viel aus über die Lage der Branche, die enormes Vertrauen verspielt hat (und es noch immer tut). Krüger hielt es offensichtlich für nötig, sich öffentlich und auf großer Bühne zu rechtfertigen. Respekt!

Danach kam der bunte Teil und es rollten die Neuheiten auf die Bühne. Der i3s, Mini Electric und das viertürige Elektrocoupe i-Vision Dynamics. Mit 600km Reichweite und 200km/h will man sich eine Waffe gegen Tesla schnitzen. Wann, das bleibt offen, aber die Elektromobilität hat bei BMW oberste Priorität, so wird versichert. Auch am Stand stehen der klobige X7 iPerformance und die beiden Studien Concept Z4 und 8-Series, die wie aus dem Ei gepellt dastehen und hoffentlich so in Serie gehen! Messerscharfe Dinger!

Bei Opel spricht man französisch, zumindest ganz kurz am Anfang der Produktpräsentation, um die neuen Besitzer gnädig zu stimmen. Neu ist der Grandland X für die Freunde des „gepflegten Countrystyles, ein weiteres Mitglied der x-Familie (huch, heißt das nicht bei BMW genauso???). Das Segment boomt leider immer noch und so stehen derlei Autos an jeder Ecke und bei allen Herstellern. Bei Skoda heißt er Karoq, bei Seat Arona, bei VW T-ROC bei Hyundai Kona, bei Kia Stonic, Bei Ford Ecosport oder bei Citroen C3 Aircross. Und dann noch die von den Chinesen! Wie viele davon verträgt die Welt noch?

Bei VW wird der Abgasskandal komplett unter den Teppich gekehrt. Man will nach vorne schauen und präsentiert ein weiteres Mitglied der zukünftigen Elektroautoflotte. Den I.D.CROZZ II, ein E-SUV-Coupe! Alle basieren auf dem Elektrobaukasten, bei dem die Batterie wie eine Tafel Schokolade im Wagenboden untergebrachte ist. Beim Konzernnachbarn Audi wird ebenso an der elektrischen Zukunft gefeilt. Freilich einige Segmente höher und mit endlich mehr Schmiss in der Form. Das Rumgelutsche auf der alten Linie hat ein Ende. Stolze 5,44m ist die Studie AIRCON lang und überragt so den daneben uralt wirkenden (neuen) A8 um ein ganzes Stück. Gefahren wird ohne Lenkrad und Pedale, von Geiserhand sozusagen und das bis zu 800 Kilometer weit mit einer Feststoffbatterie. Innen herrscht Wohnzimmeratmosphäre und so manch ein Passagier konnte sich wünschen, noch eine Extrastunde im Stau zu stehen, weil er es nicht mal zu Hause so schön hat.

Viel los war am Stand von Borgward, deren neues Fahrzeug schon lang ersehnt wurde. Und es kam in Form einer etwas mit zu vielen Linien und Farbwechseln überzogenen coupéhaften Limousine mit Namen Isabella. Mit einer Prise Renault Alpine an der Front, Türen nach bester Showcar-Manier und Elektroantrieb zeigt er, wohin die Reise der deutschen Traditionsmarke geht.

Und die Sportwagenhersteller??? Bei Lamborghini ist die Neuigkeit, dass die Neuigkeit (der SUV) erst am 4.Dezember präsentiert wird, bei Ferrari ist es der Portofino, der den California T ersetzt, bei Bentley steht die dritte Generation des Continental GT und Porsche besinnt sich zurück auf den RS der 70er, indem sie dem 911 GT3 ein Touring Paket spendiert. Für die Kenner mit Understatement.

Renault hat sich dieses Jahr was ganz besonderes ausgedacht. Dem futuristischen Fahrzeug SYMBIOZ wird gleich ein ganzes Haus drumrum gebaut. Man parkt direkt im Wohnzimmer, oder fährt wahlweise mit dem Aufzug aufs Dach. Renault zeigt in seiner Vision für das Jahr 2030 wie sich autonome, vernetzte und elektrische Mobilität in den Alltag einbinden lassen.

Und so wurden auch dieses Jahr auf der IAA wieder viele Fragen beantwortet und auch viele Antworten gegeben zu Fragen, die niemand gestellt hat. Wie die Zukunft werden wird, wissen wir auch nicht. Es scheint aber ein Wettrüsten unter den Herstellern begonnen zu haben, bei dem alles ins Auto reingepackt wird was geht. Ein Smartphone auf Rädern. In den 60er Jahren träumten die Designer von fliegenden Autos. Sie sind nie Realität geworden…

IAA