Aus dem formfreu.de Fuhrpark: Überführungsfahrt Porsche 911 SWB, 1968
Es ist Donnerstag, 3:00h früh, ich schäle mich aus dem Bett und ich mache mich noch vor Fuchs und Hase auf den Weg zum Flughafen Hahn, um den Flieger meiner Lieblingsairline Ryanair nach London zu nehmen. Kindergequengel, die dämlichen Ansagen und vor allem aber die Aufregung lassen mich keine Mütze Schlaf mehr nehmen.
Vor 4 Wochen hatte mir Richard, ein guter Freund aus England, die Verkaufsanzeige für seinen geliebten Porsche zum Weiterleiten geschickt. Habe ich aber nicht gemacht, sondern mir das Auto kurz darauf bei Ihm zu Hause angeschaut und mich kurzerhand zum Kauf entschlossen. Das gute Gefühl hat entschieden. Heute kommt er mich am Flughafen abholen und wir fahren noch gemeinsam bis nach Dover, wo wir die Formalitäten erledigen und er sich sichtlich gerührt verabschiedet. Die ersten Meter im nun eigenen Wagen sind sehr kurz und führen erst einmal in den dicken Bauch der Fähre. Ich habe Zeit und versinke im dicken Dokumentenordner mit alten Rechnungen, Werbeanzeigen, Fotos und Briefen. Richard hatte in den letzten Jahren mit allen noch lebenden Vorbesitzern und Porsche in Stuttgart Schriftverkehr, um Fragen nach Auslieferungsdetails, ausgeführten Reparaturenund oder Zustand zu klären und Anekdoten zu erfahren, um so einige der Puzzlestücke der Fahrzeughistorie zusammenzusetzten. Es ist eines von 742 bei Karmann 1968 gebaute USA Modelle, noch mit kurzem Radstand und original erhalten. Jedoch mit Spuren seines Lebens, so erinnert am vorderen Kotflügel eine kleine Beule daran, dass ein Gartenstuhl in der Garage bei einem schweren Erdbeben in San Francisco daraufstürzte. Hinten am Stossfänger ist Steinschlag von den breiteren Fuchsrädern zu verzeichnen, die einer der Vorbesitzter montiert hat. Nun sind wieder originalen 1968er Stahlfelgen drauf. Ich finde einen Artikel von einem Texaner, der das Auto für 4000 Dollar bei Ebay ersteigerte. Auf der Rückfahrt nahm er am Ventura German AutoFest in Kalifornien teil und gewann völlig unerwartet den ersten Platz in der ’65-68er Klasse. “Compared to the spotless, colorfully painted and restored cars, my Sand Beige car seemed just a bit plain and ordinary. (..), when I heard my name was announced on the loudspeaker, (…) I thought I was being punished.” Richard selbst fuhr zum 40. Geburtstag des 911ers nach Zuffenhausen und wurde vom Porsche Museum mit offenen Armen empfangen und mit seinem Auto fotografiert. Auch hat er es geschafft, dass er mit Stirling Moss am Steuer seines Wagens in Goodwood ein paar Runden drehen konnte oder mit Richard Attwood, der 1970 mit Hans Herrmann auf Porsche 917 den Sieg in Le Mans holte, ein Fahrertraining absolviert. Beide Rennfahrer haben sich auf dem Auto verewigt. Während die Fähre auf der bewegten See vor sich hin schaukelt und sich Calais nähert, bleibe ich besonders an einem Foto hängen. Es zeigt die Shipsteads aus Santa Monica neben ihrem damaligen Wagen. Sie waren die zweiten Besitzer und haben 1994 beim Porsche Club of America-Concours d’Elegance den ersten Preis in ihrer Klasse gewonnen. Sie sehen sehr glücklich aus…
Die Autobahn erwartet mich nun wieder auf der richtigen Seite und sie führt mich durch Frankreich und Belgien. An einer Tankstelle hinter Aachen treffe ich einen Engländer in seinem Jaguar MK2, der Frau und Kinder in Köln besuchen will und wir plaudern ein bisschen, während es langsam dunkel wird. Erschöpft komme ich nach 18 Stunden Reise wieder an, der Porsche hat die 850km Etappe von Oakham nach Mainz ohne Zwischenfälle überstanden. Aus den Nachrichten erfahre ich, dass am selbigen Tag Ferdinand Alexander Porsche, der Designer der Porsche 911, verstorben ist. Welch ein trauriger Zufall.
Wir denken, dass der Porsche ein schöner Ersatz für den Karmann Ghia ist und hoffen, dass er uns bei den kommenden Ausfahrten genauso viel Freude bereiten wird und wir so einige weitere Kapitel in seiner Geschichte schreiben können.
#porschegeschichten