Wenn einer eine Reise tut…
Letzten Samstag waren wir mit einem VW Bus auf der Rallye Historique unterwegs, die im Rahmen der 5. Schloss Bensberg Classics veranstaltet wurde. Als Fahrer wurde mir Ralf Becker von den Chromjuwelen zugeteilt, was ziemlich Klasse war, da wir uns zwar virtuell kannten, aber bisher nie richtig kennenlernen konnten. Nun hatten wir mal ausgiebig Zeit zum Plaudern…
Am vorabendlichen Beifahrerlehrgang spitzten wir die Ohren, um nicht völlig planlos unterwegs zu sein und uns zu blamieren. Für Ralf war das alles etwas wie für Frau Merkel das Internet: Neuland! Aber gemeinsam hatten wir dann den Durchblick, präparierten das Roadbook entsprechend und waren guter Dinge für den kommenden Tag.
Am Samstag um 11h sollte es für uns losgehen, der in schickem Lufthansa-Blau-und-Gelb lackierte Bus des Team Volkswagen Classic aus dem Jahr 1965 stand zum Einsteigen bereit. Man sitzt gaaaanz weit vorne auf der Achse, was zum Abschätzen der Wagenlänge beim Durchfahren der Lichtschranken der Wertungsprüfungen sehr praktisch ist. Auch der Druckschlauch liegt beim Überfahren direkt unter dem Hintern, das präzise Auslösen der Stoppuhren sollte also (theoretisch) kein Problem sein. Ansonsten gibt es keine Rätsel. Die Rundumsicht ist gut, der Tacho geht bis 120 und ein Radio gibt es nicht. Weil die Batterie streikt, wurden wir angeschoben, das geht ja gut los! Aber ein alter Bus ist ja kein Neuwagen und wir hatten es ja nicht eilig. Ach doch! Wir mussten ja die Zeitkontrollen pünktlich anfahren, sonst gäbs Stafpunkte. Also, auf die Startrampe, winken und los!
Die Strecke war hübsch und hügelig, führte vorbei an Kühen, Pferden, fotografierenden Zuschauern oder einem Teilnehmerteam, mit ohne Hinterrad. Bergab legten wir einen flüssigen Fahrstil auf den Asphalt und ließen uns vom vorausfahrenden T1 Pritschenwagen nicht abschütteln, bergauf nutzten wir den Schwung und übten uns dann in Geduld. 42 PS (oder waren es 44?) müssen 1140 kg Leegewicht schieben. Wenn man bedenkt, dass man noch 930 kg Nutzlast draufpacken könnte, wird einem klar, warum in den 60ern die Uhren noch langsamer gingen und Stress ein Fremdwort war. Überhaupt ist so eine Fahrt bestens zur Entschleunigung geeignet, Reisen statt Rasen! Dass der verbaute Tripmaster nur Deko war, merkten wir erst als wir ihn zur Kontrolle der gefahrenen Strecke gebraucht hätten. Beide Zählwerke liefen, jedoch mit riesiger Abweichung. Welcher geht richtig? Keiner, wie sich herausstellte. Die Wertungsprüfungen klappten bei uns erstaunlich glatt. Nur ein dicker Patzer, als wir irgendwie die Lange der Strecke falsch einschätzen und viel zu spät die Lichtschranke durchfahren. Wir waren in der Sanduhrklasse gemeldet, fuhren, also mit mechanischen Stoppuhren. (Ein Teilnehmer dachte beim Lehrgang wirklich, dass man in dieser Klasse mit Sanduhren fährt.) Mal waren 80 Meter in 15 Sekunden zurückzulegen, mal eine Lang-Wertungsprüfung und Kurz-WP hintereinender, mal parallel, mal hatte sich der Fahrtleiter Kniffeliges ausgedacht und ließ uns auf halbe oder krumme Sekundenzahlen fahren, um die Rallye-App-Benutzer auszubimsen. Auch nicht schlecht, die Vorwärts-Rückwärts-Vorwärts-Prüfung. Dreimal 15 Meter hin und her mit drei unterschiedlichen Zeiten. Um den Teilnehmern, die es nicht so mit dem Stoppuhren haben auch eine Chance zu geben, wurden zwei Gymkhana eingebaut. Da ging es dann eher um Geschicklichkeit mit dem Golfschläger beim Putten oder mit dem Fahrzeug: der Fahrer sollte mit dem rechten Hinterrad auf einer kleinen Fußmatte stoppen. Ohne Hilfe des Beifahrers, mit verhülltem Seitenspiegel und das alles vor dem Publikum auf dem Hückeswagener Marktplatz! Da war Stimmung in der Bude. Als Belohnung für die bestandene Aufgabe schenkte man uns eine Wundertüte mit einem lecker süßen Auto-Gebäck. Gegen Abend näherten wir uns nach 176 Kilometern und neun bestandenen Zeitprüfungen leicht erschöpft dem Ziel im Schloss Bensberg und eine aufregende und unterhaltsame Fahrt ging zu Ende. Noch einen erfrischenden Schluck Schampus, einige letzte Fotos und dann gaben wir den Lufthansa-Bus etwas wehmütig wieder zurück in die treuen Mechanikerhände. Nur Fliegen ist schöner!
Die sonntägliche Siegerehrung am Vormittag versackte etwas im Regen. Aber wir mussten ja nicht auf die Bühne! Mit Platz 26 im Gesamtklassement und Platz 12 in der Sanduhrklasse schlugen wir uns dennoch ganz wacker und träumen jetzt schon mal von der nächsten gemeinsamen Rallye und einem Platz auf dem Podium in Bensberg. Wir haben ja jetzt ein Jahr Zeit zum Üben…
Schloss Bensberg Classics
Schloss Bensberg Classics Concour d’Elegance 2013